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«Die Schönheit wird die Welt retten.» (Dostojewski)

Mit der dritten Eigenproduktion Erstarrt vom Himmel ihrer Augen lässt das TAK-Ensemble mit Regisseur Oliver Vorwerk dem Gedicht mehr Öffentlichkeit zukommen: In «Erstarrt vom Himmel ihrer Augen» (Premiere am Do, 13.03. und Fr, 14.03.25 präsentieren Oliver Reinhard, André Rohde und Nicole Spiekermann in der intimen Atmosphäre des TAK-Foyers Gedichte und Lieder über die Lieder.

Ein Gespräch mit Oliver Vorwerk.

Lesedauer: 5 Minuten

Mittwoch, 12.03.25
«In der Konzentration des Gedichtes sind wir mehr zu Hause, als das, was wir jeden Tag leben müssen.»
Oliver Vorwerk, Regisseur

Probenprozess

Steht das Stückskript von Anfang an oder entwickeln Sie dieses gemeinsam mit den Spieler:innen während der Proben?

O. V.: «Gedichte von Else Lasker-Schüler, Friedrich Hölderlin und Rainer Maria Rilke (er schrieb gut 1000 Gedichte!) bilden den Hauptteil unseres Abends. Jeder der Beteiligten durfte während der vierwöchigen Probenzeit musikalische Vorschläge einbringen. Dies geschah assoziativ: Manche Musikstücke oder Songs beschreiben ähnliche Gedanken oder Inhalte der Gedichte, manche Musik ist eher atmosphärisch und emotional unterstützend. Manchmal setzen wir mit der Musik auch einen Kontrapunkt.»

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«In unserer Arbeit liegt das Hauptaugenmerk auf den Texten, aber auch mit Musik kann man Worte erzählen! Spätestens seit Bob Dylan, der für seine Songtexte den Literaturnobelpreis verliehen bekam, gelten auch Musiktexte als Poesie!»
Oliver Vorwerk, Regisseur

Nach welchem Leitfaden oder zentralen Gedanken wurden die Gedichte und Lieder ausgewählt?

O. V.: «In der Probe sind wir immer wieder auf diese Melancholie, oder auch auf die Sehnsucht gestossen, «Lebenserklärungen» zu finden: Wer geht wohin, mit wem, wieso? Das «grosse Warum» – oder: das «Wofür» ist oft der Kern von Gedichten. Manchmal schafft es ein gutes Gedicht, einen grossen komplexen Zusammenhang, der gut und gerne auch in einem Roman abgehandelt werden könnte, in einige wenige essenzielle Zeilen zu verpacken. Diese sind dann - wie ein gutes Sugo - sehr intensiv und stark verdichtet.

In meiner Wahrnehmung ist es so: Lyrik entspricht nicht jedermanns Logik, vor allem, weil sie ganz individuell das Innere in Schwingung bringt und dann vielleicht sogar diametrale Empfindungen auslöst. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, die Interpretationen der Gedichte in Bezug zu setzten zu den konkreten Biografien von Lasker-Schüler, Rilke und Hölderlin.

Es entstanden so 3 Kapitel, die jeweils auch etwas über die Autoren erzählen. Das erste Kapitel befasst sich mit Rainer Maria Rilke, dem Meister der feinsinnigen Sprache. Das zweite mit Else Lasker-Schüler, eine der wichtigsten expressionistischen Dichterinnen mit dramatischer Biografie. Das dritte Kapitel schliesslich ist Hölderlin, dem rätselhaften Dichter der Empfindsamkeit gewidmet.»

«Wenn man sich mit einem Gedicht auseinandersetzt, ist eine hohe Genauigkeit erforderlich, das gilt inhaltliche genauso wie für die Sprachbehandlung – aber wir sind im Ensemble zum Glück alle Sprachnerds!»
Oliver Vorwerk

Was steht hinter dem Projekt

Mit Humboldt und Galilei drehten sich die ersten beiden TAK-Eigenproduktionen um grosse Denker der Menschheit, nun geht es um einen musikalischen Abend über die Liebe – thematisch doch ein grosser Gegensatz.

O. V.: «Bisher haben wir in dieser Saison das Theater mehr durch ein wissenschaftliches, gesellschafts-politisches Brennglas betrachtet. Mit «Erstarrt vom Himmel ihrer Augen» stellen wir den Menschen als Individuum mit seinen Beziehungen in den Mittelpunkt.

Als weitere Antriebsfeder ist dabei unser Wunsch, dem Gedicht als solchem mehr Öffentlichkeit zukommen zu lassen. Und in den aktuell bewegten Zeiten kommt mir während der Vorbereitung und der Proben immer wieder ein Zitat von Dostojewski in den Sinn: «Die Schönheit wird die Welt retten.»»

Gibt es eine Lieblingsmusik oder eine Lieblingsstelle des Stückes für Sie?

O. V.: «Im Moment ist mir persönlich Bob Dylan sehr nah, in der Produktion finden sich aber auch Lieder von Udo Jürgens, Ridley Jones, Klaus Hoffmann  – wir spannen einen weiten assoziativen Bogen. Während der Proben war die Auswahl der Musikstücke durchaus schwierig:

Es war erstaunlich, wie die Phantasie bei uns allen zugeschlagen hat, während wir uns mit den Gedichten und Autoren befassten, sprudelten die Ideen und Impulse für Musik und Songs.»

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«Lesen, das geschriebene Wort, Literatur und Lyrik ist für mich seit meiner Kindheit nahezu Eskapismus und begleitet mich jeden Tag durch mein Leben.»
Oliver Vorwerk

Das TAK-Foyer – ein intimer, dichter Ort

Welche Möglichkeiten ergeben sich auf der kleinsten TAK-Bühne, jene im Foyer des Theaters?

O. V.: «Wir werden die kleine Bühne im TAK Foyer bespielen, aber auch das ganze Foyer. Die Atmosphäre wird weniger formal sein, als auf der grossen Bühne. Wir schaffen einen intimen Raum, die Distanz zwischen Spielern und Publikum ist viel kleiner. Die Form dieser Inszenierung braucht eben diese Nähe.

Das Ensemble besteht aus drei Spieler:innen, musikalisch gibt es die Gitarre, es wird a capella gesungen und einen Einspieler geben. Man kann sagen, wir performen in reduzierter technischer Form oder auch «unplugged», dafür eignet sich das TAK-Foyer wunderbar.

Gedichte sind ja per se intrinsisch, sie fokussieren sich rein auf die Beziehungsebene. Das verlangt dem Publikum eine hohe Konzentration ab, ein ganz genaues Zuhören, auch eine innere Nähe zum Gehörten, um die Gefühlswelten annehmen zu können. Dies wird durch die situative Setzung im Foyer unterstützt.»

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«Hälfte des Lebens»

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne 
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt.
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.

(Friedrich Hölderlin)

Das grosse Ganze – die Kraft von Poesie

Wann ist es in Ihren Augen wichtig, «vor lauter Liebe zu erstarren» oder «sich von der Liebe beflügeln zu lassen», wenn es doch inmitten unruhiger Zeiten allzeit ein waches Gemüt und gute Bodenhaftung braucht?

O. V.: «Wenn wir uns einem Gedicht widmen, schürfen wir nach tief verschütteten Allgemeingültigkeiten, die Menschen, Generationen und Kulturen über all ihre Individualität hinaus verbinden können.

Bei Hölderlin empfinde ich die Verstehensschwelle besonders gross. Hölderlin selbst beschreibt: «Im Gedicht finden sich die Winke des Göttlichen.» Dies wird mir so sehr in seinem Gedicht «Hälfte des Lebens» deutlich, diese Fülle des Erntens und Schöpfens erschlägt einen fast, und weist doch schon auf den kargen Winter des Lebens hin.

Zum Eintauchen in Lyrik bedarf es an Musse, sich auf das Gehörte, die Worte, auch die Pausen, und auf die Frage «Was macht das mit mir?» einzulassen. Die Interpretation kann dabei eine total verschiedene Wirkung auf den jeweiligen Zuhörer entfalten, und dies tut sie meistens an archaischen Punkten. Das macht die Arbeit an dieser lyrischen Produktion so spannend.»

  • Probenfotos ERSTARRT klein-1.jpg
«Wenn wir uns einem Gedicht widmen, schürfen wir nach tief verschütteten Allgemeingültigkeiten, die Menschen, Generationen und Kulturen über all ihre Individualität hinaus verbinden können.»
Oliver Vorwerk, Regisseur

O. V.: «Für manche schafft klassische Musik den Zugang zu einer starken Gefühlsregung, für mich kann dies ebenso die hohe Kunst der Sprache. In einem guten Gedicht ist ein Gefühl der Ur-Impuls, der in einer abstrakten Form aber darin sehr konkret fassbar ist. Die Reflektion lässt dann eintauchen in die umschriebene komplexe Gefühlswelt.

Eine Reflektion ist in meinen Augen dabei unbedingt erforderlich: Durch die perfekte Codierung in einem Gedicht zum Beispiel zum Thema Liebe, kann man sich ganz direkt in dem allgemein Gültigen wiederfinden. Eine geweckte oder versteckte Sehnsucht wird im Kopf reflektiert, die Seele indes kann ruhig werden in dem Gefühl: Ich bin nicht alleine! So kann vielleicht auch das Verstehen der menschlichen Endlichkeit auf verschiedenen Ebenen verarbeitet oder sogar angenommen werden.

Für mich findet sich in dem vielbesungenen Vers «Freude schöner Götterfunken» zum Beispiel ein unheimlich verbrüdernder Ton, eine starke menschliche Zugehörigkeit wird spürbar, ein Band, was sich unabhängig von kultureller Zuschreibung oder regionaler Verbundenheit strickt.»

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